Ausfalten
2017Performance in Verbindung mit der Installation Aus Falten der Erinnerung 2017, Kunstraum Frappant, Victoria Kaserne Hamburg 2017, Gathering, Ostgleis, Ostermundigen In der Live-Performance AUSFALTEN schreibt die Künstlerin mit Wasser auf das handgeschöpfte Papier , das sie zuvor aus den eigenen Kleidern hergestellt hat. Das Papier liegt dazu auf einer geheizten Kupferwanne, die die Schrift zum Verwinden bringt. Sie gibt dabei in einer Art doppeltem Metaprozess das Erinnern an die Kleidungsstücke und an den Akt des Verkleinerns dem Publikum nur für ganz kurze Zeit Preis. «Erfüllt von den Bildbetrachtungen an den Wänden und dem Audiotext schauen wir der Künstlerin jetzt zu, wie sie einen noch unbeschriebenen Bogen des handgeschöpften Papiers auf einen roten, von einem kleinen Scheinwerfer erleuchteten und von einer Kochplatte erwärmten Kupfertisch legt und beginnt, den Bogen mit einem feinen Pinsel und Wasser zu beschriften. Die Buchstaben erscheinen, über eine Kamera an die Wand projiziert, kurz auf dem erwärmten Papier, verblassen und vertrocknen aber, kaum haben wir sie gelesen, so dass wir die Texte fortlaufend memorieren und in unserer Erinnerung in ihren Zusammenhang setzen müssen. Texte sind Gewebe aus Zitaten, ineinander geflochtene Erinnerungen lesen wir und erinnern uns an Roland Barthes, der Texte einmal als „Gewebe aus Zitaten“ bezeichnete, das „ durch ein ständiges Flechten entsteht und sich selbst bearbeitet“. Denken und Erinnern sind eine Aktivität der Seele, entziffern wir jetzt aus den flüchtigen Wasserzeichen und erkennen daraus, dass die Verarbeitung der Lieblingskleider für die Künstlerin nicht nur ein physikalischer Transformationsprozess war, sondern sich im Zuge des darauf folgenden Schreibprozesses zu einer eigentlichen Seelenforschung entwickelte, bei der die feine, kleinteilige Auflösung der Kleider ihre Entsprechung in tiefliegenden Erinnerungen und essentiellen Erfahrungen fand. Es erscheinen und verschwinden die Sätze ... Auf keinen grünen Zweig gebracht, und Lebensentwürfe, die krank machen..., sind Hinweise darauf, dass sich beim Schreiben der Endlosbriefe aus den Falten der zu Papier verarbeiteten Kleider existentielle Nöte und Schmerzen lösten. Dabei entwickelten sich implizite, also eingefaltete, Erinnerungen zu explizitem, entfesseltem Erinnern. Pascale Grau bearbeitet Bogen um Bogen. Sie nimmt einen von einem Stapel hinter sich, beschreibt ihn mit stetem Gedankenfluss und ruhigem Strich und legt ihn – das letzte Wort ist bereits am Verblassen – neben sich auf einen zweiten Stapel. Auf einem Schnellboot, den Wind in den Haaren und .....Ruhe und Sicherheit in Liebesdingen“....markieren die Entfaltung einer ruhigen, erfüllten Lebensphase und wir nehmen uns vor, nachher im Audiotext nachzuhören, welches Kleid mit diesem Lebensgefühl in Verbindung steht. Gleichzeitig realisieren wir, dass die Endlosbriefe an der Wand nicht Botschaften an die Aussenwelt sind, keine „Testimonials“, sondern Briefe der Künstlerin an sich selbst. Sie sind das Produkt eines langen, genauen Hinsehens, eines langsamen, unerbittlichen Ausfaltens des den Kleidern einst innewohnenden Lebens- und Daseinsgefühls. Ein Seelenraum, der sich langsam im Herzen weitet schreibt Pascale Grau und macht uns zu Zeugen eines Erinnerns, das mit der Verarbeitung der Kleider zu Papier begann, dem das körperlich anstrengende Niederschreiben der Endlosbriefe folgte und das auch in diesem Moment noch fortdauert und sich weiter entfaltet.» (Matthias Scheurer April 2017, Basel) Foto: Videostill aus Videoaufnahme, Kamera: Axel Töpfer |